1934
Weisheit in Zweizeilern.
(Auswahl)
Der Weise
Weise mag den bloss ich nennen, der lachend sich selber verspottet
Ob seiner Torheit, denn dann bleibt er stets ihrer bewusst.
Im Schlaf
ER gibt’s im Schlafe den seinen! – Mag sein, doch hab stets ich erfahren,
Dass er es denen nur gibt, die ringend lange gewacht!
Weisheit und Grösse
Sich auf dem Gipfel des Glückes bewusst seiner Grenzen stets bleiben,
Das nenn ich Weisheit fürwahr! – Weisheit mit Grösse gepaart!
Gesinnung
Keinen schätz nach seinen Worten, und umsichtig wäg seine Taten;
Doch, was den Ausschlag erst gibt, ist die Gesinnung allein.
Leben und Lehre
Nur was das Leben uns lehret, ist dauernd uns wichtig und wertvoll;
Lehrstuhl und Buch steuern bei einzig den gangbaren Schliff.
Meister des Schicksals
Über dem Schicksal nur stehet, es einzig als Meister beherrschend,
Wer seine Ohnmacht erkennt, und, es erleidend, verlacht.
Das Wesentliche
Ansehen, Ruhm und Erfolge, die Macht über viele, auch Ehre,
lassen, wenn ohne Verdienst, bettelarm, wer sie besitzt.
Das Endurteil
Zuständig richtet alleine die Jugend das welkende Alter;
– Nie darf es anders je sein, – hat doch das Werden stets recht!
Falscher Ruhm
Wer sich stolz brüstet, er habe genüget stets voll seinen Pflichten,
Der hat, darüber hinaus, nie das Geringste getan.
Einem Seelenfänger
Schau da! Mein ewiges Heil scheint gar inniglich dich zu bekümmern; –
Dass mich hier hungert und friert, das übersiehst du, du Wicht!
Gnade und Recht
Wer sich verlässt auf die Gnade, der möge sich wohl davor hüten,
Dass er darob nicht verscherz, was ihm gebühret, – sein Recht!
Rechtspflege
Kristallisierte Gewalt sind das Recht und der Menschen Gesetze,
Immer dem Mächtigen feil und dem Gerechten zum Hohn.
Rechtswohltat
Recht, du beschützest gewöhnlich erfahrene Gauner am besten,
Aber dem redlichen Mann weisest die Zähne du bloss.
Freiheit und Gerechtigkeit
Freiheit ist einzig nur möglich und dann nur der Menschheit zum Segen,
Ist mit Gerechtigkeit sie innig verwachsen und wahr.
Vaterlandsliebe
Unscheinbar, schweigsam, bescheiden erwährt sich die Vaterlandsliebe;
– Lautes Getös überdröhnt meistens Betrug und Verrat! –
Schweine und Völker
Schweinen zu warten, bedarf es doch immerhin kundiger Leute,
Aber der Völker Geschick lenkt der Politiker bloss!
Der Grund
Weißt du, warum sich die Völker in Leiden erbärmlich stets winden?
– Gläubig vertrauen sie dem, der sich Politiker nennt! –
Wandel der Zeiten
Siehe, so wandelt die Zeit sich! – Es brauchte der König einen Narren;
Nun werden Könige bloss noch von den Narren gebraucht.
Der politischen Schweiz
Würdest du redlich gestehen, wie dürftig auch geistig du seiest,
Würdest du Nachsicht empfahn; – so ist Verachtung dein Los!
Der schweizerischen Massgeblichkeit
Einbildung hat dich verdorben, und Grössenwahn ist’s, der dich knechtet;
Also versimpeltest du und wardst der Welt zum Gespött!
Wir Schweizer
Hätten wir Schweizer, was nicht ist, die Freiheit auch selber erfunden,
Würde sie uns zum Gericht! – Niemand verhöhnt sie so schnöd!
Volksrechte
Volksrechte haben wir viele, sie schwimmen auf jeglicher Suppe,
Aber vom Rechte des Volks hat man noch wenig verspürt.
Meinem Volke
Sulla und Marius haben ihr Rom durch ihr Treiben zermürbet;
Doch um Profit und Gehalt schändet dich, Schweiz, jeder Wicht!
Nachruhm
Nachruhm, wenn wir ihn erlebten, wie würd er uns bitter enttäuschen,
Würde an uns doch gerühmt, was wir selbst niemals gemeint!
Ehre
Ehre, – betracht ich dich gründlich, so wirst du verdammt mir verdächtig;
Nicht weil du käuflich bloss bist, sondern auf Trugschlüssen ruhst.
Oeffentliche Meinung
Weil stets bestechlich du bleibest, du öffentlich stallblinde Meinung,
Bist du dem Denken nie Quell, – dienst als Kloake ihm bloss!
Vorsicht
Vorsicht, als Mutter der Weisheit wirst stetsfort du höchlich gepriesen; –
Hättest dich selbst stets geübt, wär auch ihr Vater bekannt.
Gewissensfrage
Die ihr der Tugenden viele, ihr Reichen, vom Armen verlanget,
Saget: – Wie mancher von euch würdig wär selbst arm zu sein!
Geisteskrüppel
Einzig die Armen im Geiste hat selig der Meister gepriesen,
Doch von den Krüppeln im Geist meldet sein Trösterwort nichts.
Bildungslüge
Warum bleibt immer erfolglos das dringliche Bildungsgegacker?
– Ach, ihm ist’s bloss um den Lärm, nie um das Wesen zu tun! –
Der Schule
Schule, wir schulden dir vieles, wenn du in uns bloss nicht erwürgtest
Unsere Gaben, die uns immer am nötigsten sind!
Literarische Ehre
Was? – Literarische Ehre? – Ich danke! – Ich weiss wer sie brauet:
Händler bedruckten Papiers! Soldschreiber unter dem Strich!
Um sich gewichtig zu spiegeln, so Werke wie Namen missbrauchend,
Spielt man sich auf als Mäzen und übt an beiden Verrat!
Erziehung
Ueber Erziehung wird immer so vieles gesagt und geschrieben,
Was wohl am besten erweist, wie sie erbärmlich versagt.
Glaube und Staat
Liefere, willst ihn vernichten, den Staat ruhig aus einem Glauben
Und seiner Priesterschaft, dann sicher erreichst du den Zweck.
Lohn und Strafe
Gläubige, schämt ihr euch niemals, die Tugend nur darum zu üben,
Weil die Belohnung euch winkt oder die Strafe euch schreckt?
Zufall
Was uns als Zufall erscheinet, bewirkt ist es stets von Gesetzen,
Die unsern Sinnen zu hoch, die unserm Ahnen zu fern.
Des Witzes Ursprung
Wo je, gehetzt und verfolget, sich flüchtet die Wahrheit und trauert,
Wird unter Leiden und Weh sprühend geboren der Witz.
Güte
Wirkliche Güte gedeihet stets nur auf gelockertem Boden,
Den herbe Leiden gepflügt, bittere Tränen gedüngt.
Zum Abschied
Hast du an Einsicht gewonnen, indem diese Sprüche du lasest,
Dank es nicht mir, sondern dir, der du empfänglich gelauscht!